Reisebericht Neusiedler-See Frühling 2016

24.04.2016

Pünktlich treffen wir in Wien ein und von da geht es in Istvans neuem Bus in Richtung Neusiedlersee. Unterwegs hören wir von Janos interessante Informationen über das vielgestaltige Gebiet zwischen den Ausläufern der Alpen auf der einen und den Ausläufern der Karpaten auf der anderen Seite. Der Wind gestaltete diese Gegend über Jahrtausende und Jahrhunderte (durch Eiszeiten zuerst und später durch den Transport von Sedimenten) und heute, indem er in der windreichen Schneise mittlerweile wohl mehr als zweitausend Windräder antreibt…aus dem Burgenland wird viel Strom exportiert.

Der vergangene Februar war ungewohnt nass – die anschliessenden zwei Monate aber eher trocken. Die Vegetation entwickelte sich anders als gewohnt: Interessanterweise haben die Bäume deutlich früher getrieben als in anderen Jahren (es fällt auf, dass sogar die Akazien, die als sehr spät austreibende Bäume ansonsten bei unseren Reisen noch kahl in der Landschaft standen, jetzt in vollem Grün sind), während die Bodenvegetation verspätet ist.

Ornithologisch ist die Situation sehr gut, weil alle Lacken voll sind und auch den ziehenden Limikolen noch genügend Nahrung bieten.

In früheren Zeiten erstreckte sich von Sopron bis zur Donau ein grosses Moorgebiet, mit 60 – 70 km das grösste in Mitteleuropa. Davon geblieben ist der, mit nur 1,5 Metern Tiefe seichte Neusiedlersee, der je nach Forschermeinung in den letzten 10-20’000 Jahren nur ein- oder zweimal gänzlich austrocknete. Die auf dessen Grund in einer dieser Phasen erbaute Siedlung musste neu erstellt werden und ist Ursprung des Namens Neusiedelns. Vor der Wasserregulierung betrug die Pegelschwankung des Sees zwei Meter. Seit 2001 steht das ganze Gebiet grenzüberschreitend unter Naturschutz.

Die Gegend kurz vor Illmitz lässt die Fülle der im Gebiet anwesenden Vögel erahnen und vermittelt einigen Teilnehmern bereits Erstbeobachtungen. Überall in den Wiesen zeigen sich Gänse – meistens Elternpaare mit ihren Jungen. Vielerorts stehen Silberreiher, auch nahe der Strasse und in Gruppen – ihr Bestand hat sich seit der Unterschutzstellung ausgesprochen erfolgreich entwickelt. Von einer Population von wenigen Paaren zu einer von 5000 Paaren – inzwischen haben die ersten Vögel ja auch weiter im Westen, in Deutschland und in der Schweiz, gebrütet. Kiebitze gehören ebenfalls zur Landschaft, die Schwarzkopfmöwe ist zu sehen.

Da der 300 km2 grosse See über den Einserkanal (so heisst er, weil ihm noch weitere Kanäle hätten folgen sollen, die dann glücklicherweise nicht erstellt wurden) reguliert wird, indem bei Hochstand Wasser abgelassen wird, entsprechen die Verhältnisse nicht mehr den ursprünglichen Bedingungen. Trotzdem ist er dank der starken Verdunstung salzhaltig. Insbesondere die Lacken (von ursprünglich über hundert sind es jetzt noch etwa vierzig), wo sich das Wasser bei zunehmender Trockenheit auf stets kleiner werdenden Flächen sammelt und dadurch die Salzkonzentration ansteigt, bilden einen ganz speziellen Lebensraum, der andernorts nicht zu finden ist. Explosionsartig vermehren sich hier Kleinstlebewesen (Krebse, Larven von Zuckmücken u. A.), die den ziehenden Limikolen ermöglichen, übers Festland zu ziehen und hier Kräfte für den Weiterflug nach Norden zu tanken.

Bei der Lettengrube befindet sich eine grosse Salzlacke, der Oberstinkersee. In anderen Jahren kann er auch trockenliegen. Heute aber ist es der Ort unserer ersten Exkursion und die Artenliste des Anreisetages zeigt, wie erfolgreich diese war! Ein vielversprechender Einstieg in unsere
ornithologische Ferienwoche.

25.4.2016Schon vor dem Frühstück wird vor dem Hotel dem Pirol und der Nachtigall gelauscht. Den Vormittag verbringen wir auf der ungarischen Seite, in den Lackengebieten in Seenähe.

Der grenzübergreifende Nationalpark mit einer eine Fläche von 240 km2 umfasst Moorgebiete, Wälder, renaturierte Feuchtgebiete, offene Wasserflächen, Schilf und Weideflächen, wo alte Tierrassen gehalten und somit erhalten werden. Der Schutz des Moores erfolgte nicht nur aus naturschützerischen Gedanken – eine früher versuchte Trockenlegung zeigte eine ungeahnte Gefahr auf, indem Feuer im Moorboden über zwei Jahre lange brannte und Vieles zerstörte. Die Wiederbewässerung erfolgte teilweise auch deshalb.

Rauchschwalben, Saatkrähen, Weissstörche oft paarweise auf der Wiese stehend (demnach noch ziehende, denn bei den brütenden sitzt ein Vogel auf dem Nest), zwei Rotschenkel im Flug, eine erste Rohrweihe werden beobachtet, dazu überall die Graugänse mit ihren Jungen, im Hintergrund Graurind- und Wasserbüffelherden. Das Gebiet ist überschwemmt und liess von daher viele Beobachtungen erwarten, aber im Moment ist es zu windig und wir fahren zum nächsten Halt. Auf der Fahrt sehen wir schon viele Gänse, Enten, eine Uferschnepfe ganz nahe am Bus, viele Kampfläufer in den verschiedenen Prachtkleidern, Bruchwasserläufer, Stelzenläufer, Kiebitze, einen Löffler – wir steigen aus und wandern dem Einserkanal entlang, wo uns der Schilfstreifen Windschutz bietet, bis zum Nyéki Szállás Salzsee.

Hier bietet sich uns eine grosse Vielfalt an Limikolen, alle in grösserer Anzahl, dazu als Besonderheiten ein Zwergstrandläufer und ein Waldwasserläufer. Auch ein Seidenreiher lässt sich beobachten. Im Schilf singt der Drosselrohrsänger und dank Janos Hilfe können ihn alle auch sehen. Janos hört auch den Ruf des Waldwasserläufers und geht ein Stück des Weges zurück. Wie er wieder in unsere Richtung kommt, fliegt auch die helle Limikole auf – im Flug wirkt sie grau.

Die Graugänse hinterlassen durch ihren Kot viel Stickstoff auf den Wiesen – mit dem Regen gelangt dieser in die Pfützen, die dadurch für die Limikolen nahrungsreich werden. Wir sehen auch Alpenstrandläufer, einen Zwergstrandläufer, Flussregenpfeifer an deren Rändern. Vor einer Löfflergruppe im Hintergrund halten sich viele Enten auf, neu auch Löffelenten.
Zum Mittagessen fahren wir nach Fertöd (was auf Ungarisch «schlechtes Wasser» bedeutet) und am Nachmittag in die ungarische Hansag. Wir durchqueren eines der schönsten und naturbelassensten Gebiete, wo sich von Wald bis Wasser eine grosse Vielfalt an verschiedensten Lebensräumen mosaikartig aneinanderreiht und ineinandergreift (und wie sie in dieser Art anderswo in Westeuropa kaum existiert).



Kaum ausgestiegen, bietet sich uns eine ausgesprochen ungewöhnliche Beobachtung von einem guten Dutzend am Waldrand gemeinsam jagender Baumfalken. Eine einmalige Situation, wohl der kalten und windigen Witterung zu verdanken, die die Falken zwingt, am Waldrand nach Grossinsekten zu jagen, die sich hier ebenfalls windbedingt anstauen.

Nach dieser speziellen Beobachtung gehen wir den Weg zu Oslihany, eine grosse, manchmal vom Neusiedlersee überschwemmte Region von 55 x 10 km Ausdehnung. Letztes Jahr hatten wir hier die Bienenfresser an der Brutwand beobachtet, jetzt sahen wir unterwegs zwei dieser farbigen Vögel auf der Leitung sitzend.

An diesem lieblichen Ort schweift der Blick auf alle Seiten in die Weite – ein Seeadler, Rohrweihen (Männchen und Weibchen), viele Scharben, der Purpurreiher, ein Schwarzkehlchen werden beobachtet. Edith A. entdeckt einen Schwarzstorch hinter einem Viehzaun, den ich ohne ihre Hilfe nicht gefunden hätte, danke!

Sonne und Wind wechseln sich ab; fast schon zurück beim Bus halten wir beim alten Försterhaus Ausschau nach dem Waldkauz, der aber nicht erscheinen will (wir hatten ihn letztes Jahr hier beobachtet und Janos hat ihn hier auch letzte Woche noch gesehen) – Wind scheinen die Käuze jedoch nicht zu mögen, da bleiben sie zuhause. Eine schöne Schwarzstorchbeobachtung entschädigt für das Warten. Silberreiher in erstaunlicher Anzahl auf den Wiesen, Graurinderherden, mehr als nur ein Seeadler (auch ein juveniler ohne weissen Schwanz), ein Kaiseradler, Rohrweihen ergänzen die Vielfalt der Beobachtungen an diesem ersten ganzen Tag.

26.4.2016

Heute fahren wir nach Andau, wo wir am Vormittag hoffen, die Grosstrappen zu finden. Unterwegs gibt Janos viele Informationen zur Bestandesentwicklung des schwersten flugfähigen Vogels und zu den Ursachen seiner Gefährdung. Nebst einer Zunahme der Prädatoren stellen in erster Linie die Veränderungen in der Landwirtschaft eine grosse Gefahr dar. Monokulturen «verlangen» den Einsatz von Chemie und Pestiziden, riesige Anbauflächen bieten keine Verstecke mehr. Unter dem Verlust von kleinen Strukturen leiden überall ganz besonders die Bodenbrüter.

Zu unserer Rechten zieht ein grosser Vogelschwarm – es sind keine Stare, sondern ziehende Limikolen, vermutlich alles Kampfläufer. Gänse und Störche beleben die Wiesen.

Als 1956 der grosse ungarische Aufstand von den Russen niedergeschlagen wurde, flohen 200’000 Menschen in den Westen – 70’000 gelang hier in Andau über einen schmalen Steg die Flucht. Tafeln und seltsame Mahnskulpturen dem Weg entlang erinnern an die schlimme Zeit.

Plötzlich muss Istvan den Bus anhalten – Janos’ Stopp, Stopp gilt einem Kaiseradler, der sich ganz nahe gut beobachten lässt. Als letztjähriger Vogel weist sein Gefieder noch viel Helles, Ockerfarbiges, auf. Kaum sind wir wieder eingestiegen, zeigt sich ein zweiter – er ist dunkler, wohl ein Jahr älter als der vorherige. Typisch sind die relativ langen Flügel und der lange Schwanz.

Ganz bald gibt es einen weiteren Halt – Janos hat die erste Grosstrappe, einen balzenden Hahn, erspäht, aber auch etliche Wiesenschafstelzen und eine Wiesenweihe sind zu sehen.

Ein Rohrweihenweibchen fliegt mit Nistmaterial ins Schilf. Erst heute sehen wir auch immer wieder einmal einen Hasen und Fasane auf dem Weg oder in den Feldern, so wie es die bereits mehrmals nach Ungarn Gereisten von anderen Reisen her kannten.

Und nun zeigen sich die Grosstrappen, drei Männchen und drei Weibchen. Ein weiterer Hahn steht auf einem Feldweg, sodass er von Kopf bis Fuss ganz zu sehen ist, einmal im gleichen Feldstecherblick zusammen mit einem Hasen und einem Fasanen.

Ein Mäusebussard sitzt im Gras, da und dort eine Schafstelze, auf der anderen Seite der Strasse sitzen mehrere Braunkehlchen auf Halmen oder anderen Warten.

Autos fahren langsam vorbei – mehrere kommen aus Deutschland und auch aus der Schweiz – die Gegend scheint ein beliebter und bekannter Beobachtungsort für Ornithologen zu sein.

Eine männliche Rohrweihe im Flug kann mit zwei Wiesenweihen verglichen werden. Wenige Schritte weiter steht eine ganze Gruppe Silberreiher im Gras, ein einziger Graureiher ist dabei. Ein Bild, das vor zwanzig Jahren noch Seltenheitswert gehabt hätte. Schön, dass es auch Arten gibt, die durch gezielte Schutzmassnahmen so erfolgreich gefördert werden konnten.

Wir fahren an grossflächigen Feuchtwiesen vorbei, die nach einstiger Planung ebenfalls hätten entwässert werden sollen. Durch Hochwasser auf der ungarischen Seite stieg der Grundwasserspiegel an und die Wiesen eigneten sich – glücklicherweise – nicht mehr als Landwirtschaftsland, weshalb man auf eine weitere Trockenlegung verzichtete.

Wir kommen zur Brücke von Andau, über den Einserkanal, welchem entlang wir auch hier ein Stück gehen. Janos sieht einen Wendehals und dieser antwortet auf sein Locken. Goldammer, Girlitz, Mönchsgrasmücken singen und ein adulter Seeadler erscheint am Himmel. Kurz ist auch sein Ruf zu hören – was den nahen Horststandort anzeigt. Ein Steinschmätzer sitzt auf einem Strohballen.

Wir fahren an einer Angusherde vorbei. Eine Kuh produziert jährlich das Zwanzigfache ihres Körpergewichts an Mist und in diesem entwickeln sich Insekten im Verhältnis 1:20. Jede Kuh ermöglicht somit jedes Jahr das Entstehen von der Menge Insekten, die ihrem eigenen Gewicht entspricht – und diese wiederum bedeuten Nahrung für Vögel und für viele Kleintiere, wie z.B. Eidechsen. Ganz direkt und indirekt beeinflusst die Beweidung die Anzahl und die Vielfalt der Vogelwelt.

Nach dem Mittagessen in Jánossomorja fahren wir über Osli und die Grenzstation Pamhagen zurück nach Österreich. Von der Biologischen Station von Illmitz spazieren wir zur Pferdekoppel, wo Janos letzte Woche eine Waldohreule beobachtet hatte. Uns will sie sich nicht zeigen, dafür lässt sich ein Wiedehopf schön auf dem Arm eines Ziehbrunnens sitzend beobachten und auch das kunstvoll erbaute Nest der Beutelmeise an einer Weide am Weg erweckt Bewunderung. Dreimal fliegt der Pirol von einer Baumgruppe zur anderen, die Klappergrasmücke klappert und zeigt sich in einem Busch, Distelfinke fliegen. An der Lacke sind Flussregenpfeifer, aber auch zwei Seeregenpfeifer, Säbelschnäbler, Kampfläufer, ein Grosser Brachvogel.

Nicht weit entfernt, auf der Warmblutweide, machen wir die nächsten Beobachtungen und aus dem Hide können wir nebst Stelzenläufer, Bruchwasserläufer, Dunklem Wasserläufer, Graureiher, vielen Kolbenenten, Krickente auch sehr nahe eine schöne Knäkente beobachten. Eine Graugansfamilie hält sich vor dem Hide auf und als Besonderheit zeigt sich eine, auf einem nahen Stein im Wasser, ruhende Zwergseeschwalbe!

27.4.2016

Heute ist Regen angesagt. Den Vormittag werden wir mit Beobachtungen im Seewinkel verbringen, für den Nachmittag bietet Janos eine Führung in der historischen Stadt Sopron an. Dank guter Mauern ist diese Stadt als einzige in Ungarn nie erobert und zerstört worden und sie bewahrt die ungarische Architektur vieler Jahrhunderte. Im Bus erzählt Janos von der bewegten Geschichte Ungarns. Alternativ kann man beim Hotel aussteigen und den Nachmittag z.B. im Thermalbad verbringen.

Die Hansag ist eine Senke in der Ebene, der ungarische Name Fertöd bedeutet denn auch stagnierendes, ungesundes Wasser, was an entsprechende Krankheiten und Epidemien in früheren Zeiten erinnert. Dank Regulierungen und Sanierungen ist die Wasserqualität im See heute gut.

Im Winter und im Frühling füllen sich, bei hohem Grundwasserniveau, die Lacken. Im Sommer verdunstet aber viel Wasser, da es dank dem undurchlässigen Lössboden nicht versickern kann. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende hat sich das Salz angesammelt, das sich beim Austrocknen der Lacken in den verbleibenden Wasserflächen konzentriert. Es ist eine Mischung von Natrium-, Magnesium- und Bittersalz, das sich mit dem Ton verbindet und basisches Wasser mit einem PH-Wert von mehr als 9 entstehen lässt. Dies beschleunigt den Abbau von organischem Material, der Wind trägt verbleibende Partikel weg. Die Lacken konnten und können durch diese Umstände Jahrhunderte überdauern ohne zu verlanden. Dieses interessante, ganz eigene ökologische System wird zurzeit in Österreich intensiv erforscht.

Die Wassermenge und dadurch die Salzkonzentration unterliegen zudem auch den grossen Temperaturschwankungen (heute haben wir Regen bei 5 Grad, nächste Woche soll es 30 Grad heiss sein). Nur wenige Lebewesen sind in der Lage, diese Bedingungen zu ertragen, z.B. kleine Krebse, Larven einer Zuckmückenart (deren es viele verschiedene gibt) – diese entwickeln sich in guten Zeiten explosionsartig und decken den Tisch insbesondere für die ziehenden Limikolen.

Das ganze Gebiet stellt ein einzigartiges Mosaik von verschiedenartigen Lebensräumen dar, vom Eichenwald über die Feuchtgebiete, Trockenwiesen, Moore, dichte und zusammenhängende Schilfflächen, offenem Wasser und diesen speziellen Salzlacken. Entsprechend vielfältig ist auch die Vogelwelt – trotz stark bedecktem Himmel und kühler Temperatur haben wir auch heute viele Arten beobachten können (s. Artenliste).

28.4.2016

Heute ist es windstill und der Himmel ist klar, allerdings ist es auch kalt. Mit einer kurzen Fahrt bleiben wir auf der ungarischen Seite. Zu den vielerorts zu sehenden Störchen (auf den Wiesen und auf den Horsten) berichtet Janos, dass auch diese Art eine erfreuliche Entwicklung durchlaufen hat und dass satt früheren 3000 jetzt 6000 Paare in Ungarn leben.

Interessanterweise verlassen die Weissstörche auf dem Herbstzug Ungarn immer in der letzten Augustwoche, unabhängig von allen Witterungsumständen.

Auch der Schwarzstorch hat seinen Bestand erhöhen können, von 250 auf 500 Paare. Sein Zugverhalten richtet sich nach der vorhandenen Nahrung und nach den Witterungsbedingungen. Der früher scheue und nur in dichtem Wald brütende Vogel kann heute praktisch täglich einmal beobachtet werden, brütet bei Tokaj inzwischen sogar in einem Steinbruch.

Wir beobachten Graureiher, Schwarzkehlchen, als es auf der Brücke einen plötzlichen Stopp gibt: Er gilt einem Nachtreiher, der sich in Prachtkleidung schön beobachten lässt. Der Ort sieht vielversprechend aus, sodass das Programm etwas umgestellt wird und wir an dieser Stelle nochmals dem Einserkanal folgen werden. Eine Gänsefamilie quert die Strasse. Sie hat hier Vortritt, wie auf immer wiederkehrenden Tafeln bildlich dargestellt ist.

Auf diesem Spaziergang und aus einem Hide mit Blick auf die offene Wasserfläche gibt es Limikolen (Kampfläufer, Säbelschnäbler, Stelzenläufer, Alpenstrandläufer, einzelne Flussregenpfeifer, Bruchwasserläufer) zu beobachten, Kuckucke, Reiher, alle drei Rohrsängerarten, Enten (neu sind die Pfeifenten). Auf dem Rückweg zum Bus wartet ein singender Schilfrohrsänger geduldig auf seiner Warte, bis ihn alle entdeckt und genossen haben.

Auf dürren Bäumen sitzen zwei Seeadler, der Kaiseradler zeigt sich im Flug, immer wieder erscheint eine Rohrweihe. Auch einzelne Seeschwalben sind da.

Kaum eingestiegen, erscheinen noch drei Regenbrachvögel auf einer schmalen langen Sandbank, wenig später fliegt eine ganze Gruppe dazu. Auf einer Wiese weidet eine Herde Zackelschafe. Hier sollte es auch Ziesel haben, aber bei den kalten Temperaturen verlassen sie ihre Höhlen nicht.

Beim Friedhof von Fertőújlak gibt es einen weiteren kurzen Spaziergang mit verschiedenen Beobachtungshalten. Obwohl man viele Kleinvögel schimpfen hört (Girlitze, Grünfinken, Distelfinken, Hausrotschwänzchen, ein Gartenrotschwanz, Feldspatzen) wird der vermutlich dieses Geschimpfe verursachende Steinkauz nicht gefunden.

Etwas näher bei einem Hof kann eine Grauammer beobachtet werden.

Am Nachmittag besuchen wir noch den Schlosspark des Fürsten Esterhasy. Alte, mächtige Bäume stehen auf dem grossen Areal, würden eigentlich vielen Vögeln Platz und Nahrung bieten, aber heute sind nur Buntspecht, Singdrossel, Kleiber und Meisen zu sehen.

Bei einem weiteren Halt (bei riesigen Stallungen, wo sich die Tiere zwar draussen bewegen können, aber in sehr grosser Zahl wohl vor allem der schnellen Schlachtreife entgegengehen müssen) wird eine einzelne Haubenlerche entdeckt.

Die Weiterfahrt geht an den See bei Hegykő.

29.4.2016

Das Wetter ist schön, im Laufe des Tages wird es auch immer wärmer. Den Vormittag verbringen wir mit Beobachtungen an der Langen Lacke.

In der Hecke am Weg zur Lacke singt die Nachtigall, auf der Wiese, die wir auf einem Naturweg queren, blühen Knabenkräuter und weisse Milchsterne. Wie wir kommen, sind die meisten noch geschlossen – eine Stunde später hingegen haben fast alle ihre Blüten geöffnet. So schnell wirken die warmen Sonnenstrahlen! Bei den Knabenkräutern fallen die überall fehlenden Blätter auf – scheinbar mögen sie die Graugänse zum Fressen gern.

Vom Weg aus sind Turteltaube, Neuntöter, Braunkehlchen, Grauammer zu beobachten und endlich begleitet uns beim Gehen und beim Beobachten auch der Feldlerchengesang, der infolge der kalten Witterung bisher fehlte.

Bei den Kiebitzen sind erstmals auch drei Pullis zu sehen, Kampfläufer, Bruchwasserläufer, Stelzenläufer und Säbelschnäbler halten sich in und an der Lacke auf. Interessant ist eine kleine Gruppe kleiner Limikolen – zwei Zwerg- und zwei Temminckstrandläufer sind zusammen auf Futtersuche und wir vergleichen die unterschiedlichen Merkmale. Wenn sie so nahe zusammen zu beobachten sind, geht das ja noch, aber einzeln? Janos zeigt im Buch, worauf zu achten ist.

Über das Wasser fliegen ein paar Weissbartseeschwalben.
Vorne beim Turm grasen vier Weisswangengänse, die wohl bald nordwärts weiterziehen werden. Eine Kröte wird näher betrachtet – es sei eine Wechselkröte.

Beim anschliessenden Halt am Badesee (wo wir auf eine brütende oder schon auf junge Waldohreule/n hofften) werden drei gut im Laub versteckte Nester mit brütenden Ringeltauben entdeckt.

Anschliessend an diese Beobachtungen gibt es ein Pick-Nick an der Neubruch- Lacke. Von Sitzkisten, Decken, Kaffee und selbstgebranntem Schnaps aus Istvans Haus ist von allem vorhanden…

Auch der anschliessenden Suche nach der Waldohreule ist kein Erfolg beschieden – dafür stellt ein Trauerschnäpper eine schöne Beobachtung dar und insbesondere das Rebhuhn, das seinem Namen alle Ehre tut und zwischen den Reihen im Rebberg marschiert.

Immer wieder dies und jenes aus dem Bus entdeckend und betrachtend erreichen wir den Ort, wo eine Lösswand hinter Obstbaumgärten ganz mit Löchern des Bienenfressers «bestückt» ist. Mit etwas Geduld sind auch einzelne Bienenfresser in der Luft zu sehen. Es ist nicht so, dass wir für Bienenfresser- Brutzeitbeobachtungen zu früh wären, doch wartet diese Vogelart mit dem Brutbeginn wärmeres Wetter ab. Anwesend seien sie schon letzte Woche gewesen und bei wärmeren Temperaturen hätten sie auch gleich mit der Brut begonnen.

Inzwischen ist es schon fast heiss geworden. Bluthänflinge sind im Rebberg, Turmfalken fliegen, eine Nebelkrähe sitzt auf dem Nest. Janos weist auf den Ruf eines Blutspechtes, den er nach längerem Suchen auch findet.

Unten an der Strasse versammeln sich viele Feldspatzen in den Obstbäumen, auch gelb leuchtende Schafstelzen, eine Rohrammer, ein Schwarzkehlchen lassen sich beobachten. Neu wird von guten Ohren nebst dem Gesang des verschiedentlich schon vernommenen Rohrschwirls auch der des Feldschwirls erkannt. In den Wiesen stehen jetzt viele Rehe und Hasen, manchmal gleich mehrere zusammen, und ebenso Silberreiher. Es scheint, als würden die Tiere nach den kalten Tagen jetzt die Sonne geniessen. In langsamer Fahrt geht es an den etwas skurrilen Mahnmalen zu Andau vorbei – Janos sucht mit dem Feldstecher die Feuchtwiesen ab, wo er letzte Woche eine brütende Sumpfohreule gesehen hatte. Statt ihr sehen wir nochmals eine Grosstrappe (ein Hahn), später nicht weit entfernt mehrere Weibchen.

Wir steigen aus und begeben uns auf den Turm. In der Nähe von Rehen und Hasen findet Janos einen sitzenden/liegenden grösseren Vogel in weiter Ferne. Er möchte uns die brütende Sumpfohreule besser zeigen können und der Bus fährt uns ein paar Hundert Meter weiter nach vorne. Nun liegt das vermeintliche Nest mit dem brütenden Vogel nicht sehr nah, aber doch näher und in gerader Linie vor uns – und der auffliegende Vogel entpuppt sich – als eine schöne Wiesenweihe.

Eigentlich nehme ich in diesem Moment an, dass Janos seine Bemühungen, uns in dieser Woche auch Eulenvögel zeigen zu können, aufgeben wird und ich könnte das auch gut verstehen. Aber ich täusche mich. Janos gibt nicht auf, sucht die ganze weite Wiese genau ab, achtet auf jeden Hinweis, wo sich auch noch etwas bewegt hätte – und die Ausdauer trägt Früchte! Die Eule erscheint einigen von uns zuerst im Flug und verschwindet hinter dem Schilfstreifen, kann aber später von allen mit ihren breiten helleren Flügelrändern schön über die Feuchtwiese vor den Bäumen durchfliegend beobachtet werden. Sie setzt sich zuoberst auf einen Busch und dort lassen wir sie als grösseren Punkt in der Ferne sitzen. Später als sonst (Eulen-Überstunden für Istvan und Janos) fahren wir zum Hotel, wo das verspätete Eintreffen heute problemlos ist, da es ein Buffet gibt. Ein schöner Abschluss eines sonnigen und warmen Tages mit vielen neu beobachteten Arten!

30.4.2016

Sorgfältig lädt Istvan unser Gepäck in den Bus, ebenso wieder das Mittags- Picknick. Pirol und Nachtigall singen in den Bäumen auf der gegenüberliegenden Strassenseite.

Nun fahren wir vorerst eine längere Strecke bis zur Marchegg an der Ländergrenze zwischen Österreich und Slowakei. Die March, ein linker Nebenfluss der Donau, bildet hier ein schönes Auengebiet, das insbesondere für seine auf Bäumen brütende Storchenkolonie bekannt ist. Dem WWF sei Dank konnte das Auengebiet vor der Nutzung zur Stromproduktion bewahrt und als Naturschutzgebiet erhalten werden.

Auf dem Damm gehend haben wir einen schönen Einblick in die Storchenkolonie auf den mächtigen, alten Eichen auf der anderen Seite des Flusslaufes. Für die Eichen war die Aue zu nass und sie treiben nicht mehr – aber auf ihren riesigen Aststümpfen bieten sie überall Plattformen für die Storchenhorste. Manchmal sind es mehrere auf einem Baum, richtige Mehrfamilienhäuser, ein Horst auf jeder Etage. Und unten im Horst finden auch Kleinvögel geschützte Standorte für ihre Nester. Immer wieder staune ich, wie und was ein Baum bis zu seinem letzten Zerfall an Leben ermöglicht – eigentlich ist er gar nicht tot, solange es ein auch nur kleines Stückchen von ihm noch gibt.

Meistens liegt ein Storch am Brüten und der zweite leistet nebendran auf dem Horst stehend Gesellschaft, ein schönes Bild von Eintracht. Oft hört man das typische Klappern. Auch Reiher stehen im Auengebiet, auf einer Wiese weiden Konikpferde. Diese wurden aus dem Hauspferd zurückgezüchtet mit der Idee, dadurch wieder das ursprüngliche Wildpferd zu erhalten. Das ist nicht ganz gelungen, doch weisen alle Pferde den für Wildpferde typischen Mittelstrich auf dem Rücken auf. Auf dem Damm spazierend wird noch kurz der Ruf eines Waldkauzes vernommen.

In den Bäumen auf beiden Seiten des Dammes können wir einmal den Mittelspecht, einmal einen Halsbandschnäpper beobachten – und dank des erkannten Gesanges entdeckt Janos sogar eine absolute Rarität in Gestalt eines Zwergschnäppers, der leider im Laub entschwindet, bevor ihn alle zu Gesicht bekommen. Heidi zeigt mir einen Baumpieper, der allerdings nicht lange auf der Tannenspitze verweilt. Ein reges Singen und Fliegen von Kleinvögeln belebt die spezielle Landschaft dieses Auenwaldes. Auf einer Wiese blühen violette, phönizische Königskerzen. Ein Rotmilan kreist am heute ganz blauen Himmel.

Nach dem Picknick im Park des Marchegg-Schlosses fahren wir noch zu einem Kaffeehalt nach Stopferau. Darnach geht die Fahrt zur letzten Exkursion in den Nationalpark Donau- Auen bei Wien. Schon im Bus sind wir mitten im dichten Auenwald, dann führt ein lieblicher Weg der breiten und recht stark ziehenden Donau entlang durch den Wald – auf einer Schwelle im Wasser sitzt ein Flussuferläufer, Spechte rufen. Insbesondere ein Gesang gibt Anlass zu Spekulationen: Ist es nun ein Grün-oder doch ein Schwarzspecht? Gewisse Rufe sind sehr verschieden, aber es gibt auch solche, die man verwechseln kann – Janos erklärt, warum es hier ein Grünspecht ist.

Im Bus wird die Artenliste mit den Beobachtungen des heutigen Tages ergänzt. Nicht weit vom Bahnhof sitzen wir ein letztes Mal beim Nachtessen zusammen, um anschliessend noch einen gemeinsamen Spaziergang durch den nahen Bellvedere-Park zu unternehmen. Mit den ersten Mauerseglern dieser Woche und einer in dieser Woche ebenfalls ersten Rabenkrähe (im Osten sind die Krähen Saat- oder Nebelkrähen) im Park stimmen wir uns sozusagen wieder auf den Alltag zuhause ein.

Obwohl in den ersten Tagen die Witterungsverhältnisse ungünstig waren, konnten wir in dieser Woche insgesamt über 140 Vogelarten beobachten – Limikolen in jeweils grösserer und Singvögel wind-und temperaturbedingt eben in kleinerer Anzahl.

Danke Janos und Istvan für Führung und Fahrt und allen Teilnehmern für das schöne Zusammensein!

Einen besonderen Dank an Edith Kläusli für ihre Bilder und deren Einsetzen in meinen Text!

Klosters Dorf, 3. Mai 2016, Margrit Kern
Fotos: Edith Kläusli, Castrisch